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Räume am Rand

Wo der Galeggenweg in die Obere Dorfstrasse mündet, herrscht freie Sicht auf den Chilehübel. Das Ensemble mit der reformierten Kirche oben und den markanten Bauten unten wird gefasst von der Mauer, die das Bett des Stadtbachs führt. Die grüne Fläche zwischen dem Stadtbach und der Strasse wurde im Laufe der Zeit wohl immer kleiner, aber es gibt sie noch. Und es ist wichtig, dass es diesen Streifen gibt. Er deutet an, dass der Galeggenweg eine kleinere Strasse ist, die in die Landschaft hinaus führt, ins Grüne.

Wenn ich den Blick dann nicht mehr auf den Hügel richte, sondern auf diesen kleinen Grasstreifen im Vordergrund, erstaunt es mich, was sich dort in den letzten Jahren alles angesammelt hat. War es vor drei Jahren der Pfosten mit den Schildern und ein Robidog, so steht dort heute auch noch eine Stele des Audiopfads zum Stadtbach und eine Sitzbank aus einem Steinkorb mit Kunststoffbrettern darauf. Zusätzlich liegen grosse Steine am Boden, und wurde um die Bank herum die Wiese durch einen festeren Belag ersetzt, der dann auch das Ausschneiden des Stellriemens erforderte. Der Robidog fand auf der anderen Seite, in einem weiteren Randbereich, wo bereits eine Trafostation steht, Platz. Alles in Allem ist ein bisschen viel los auf diesen wenigen Quadratmeter Land.

An Rändern bleiben oft Räume übrig, die etwas undefiniert sind. Durch Strassen abgeschnittene Restflächen, die mit dem Kulturland nicht mehr verbunden sind. Gleichzeitig bringt unsere Lebens- und Siedlungsweise eine Vielzahl an Objekten mit sich, die irgendwo im öffentlichen Raum Platz finden müssen. Da scheinen sich solche Inseln anzubieten. Im Grossen sehen wir an Rändern von Städten und Dörfern, dass sich oft Nutzungen ansammeln, die in den Zentren stören oder unpraktisch sind. Im Kleinen kann es zu Übernutzungen kommen, wie es das oben gezeigte Beispiel zeigt. Es ist einfacher, irgendwo etwas hinzustellen, wenn schon etwas da ist.

Ich finde es wichtig, den Blick für die Gestaltung dieser Orte im öffentlichen Raum zu schärfen. Gerade dort, wo man täglich vorbeigeht, fallen diese Dinge nicht mehr so auf.

am Rand 2

Im zweiten Bild ist auch ein Rand zu sehen. Gleich zwei solche Orte gibt es an der Bachstrasse. Im Gegensatz zum ersten Beispiel heitert mich die Situation im zweiten Bild immer auf. Die Wiese ist gross, der Strassenrand klar. Der einzelne Hydrant animiert junge Velofahrer, diesen kleinen Schlenker darum herum zu machen. Verspieltes Gewohnheitsrecht, nicht gestaltet und nicht dauerhaft. Wenn der kleine Umweg nicht mehr benutzt wird, verschwindet er von alleine wieder.

Ihre Fotos und Gedanken zu Räumen am Rand sind gesucht!
Nach zwölf Kolumnen entsteht eine Ausstellung mit Ihren Beiträgen; ein Portrait der Gemeinde Suhr, gemacht von den Menschen hier.

Bitte schicken Sie Ihre Fotos oder Texte zu diesem, oder einem der anderen Beiträge (www.dorfschreiber.ch) an:

Pet Zimmermann
Zimmermann Architekten
Bachstrasse 33
5034 Suhr

oder per whatsapp oder sms auf die Nummer 078 713 44 17

 

 

 

Der Ort in der Mitte

Wenn ich in das neue Schulhaus „Vinci“ eintrete, gelange ich ohne Umwege in die Mitte des Hauses. Der zentrale Raum mit den geschwungenen Treppen reicht bis unter das lichtdurchlässige Dach. Jeder Raum, sei es ein Klassenzimmer, die Bibliothek oder eine Toilette, wird über diesen Raum erschlossen. Jede und jeder durchwandert die Halle beim Kommen, und auch wieder beim Gehen. Es ist ein Ort der Bewegung und der Begegnung von Menschen, klein und gross. Jede Tür, die man von diesem Raum aus durchquert, führt in einen Raum, der spezifischer, ruhiger, und gewissermassen privater ist.

Version 2
Wenn ich in das alte, renovierte Haus an der Bachstrasse 9 eintrete, betrete ich einen Raum, der eine vergleichbare Wirkung hat. Beim Umbau wurde das Haus um die ausgebaute Scheune Richtung Norden erweitert. Der Eingang befindet sich heute dort, wo früher das Tenn mit seinem grossen, alten Holztor war. Dieser Raum bildet die Mitte des neu definierten Hauses. Er macht die ganze Höhe der Scheune sicht- und spürbar, und ist Treffpunkt und Aufenthaltsraum aller Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses, ihrer Nachbarschaft und ihrer Freunde. Von hier aus führen verschiedene Wege in die privateren Wohn-, Schlaf- und Sanitärbereiche.

Die Mitte ist ein Ort dazwischen. Sie ermöglicht Beziehungen zwischen verschiedenen Räumen und ihren Nutzerinnen und Nutzern.
Im Fall des Vinci-Schulhauses liegt dieser Ort auch tatsächlich exakt in der Mitte des Gebäudes. Bei der Bachstrasse 9 hat sich mit der Erweiterung des Wohnhauses ihre Mitte verschoben.

In Suhr können wir zurzeit miterleben, wie mit der Realisierung und der allmählichen Belebung der neuen Überbauungen beim Bahnhof gleichsam eine Dichteverlagerung stattfindet. Ein zusätzliches Angebot an Wohnraum, Läden, Restaurants und Dienstleistungen bringt mehr Menschen in dieses Gebiet. Für mich, die ich seit bald 20 Jahren in Suhr lebe, ist, oder war das Zentrum von Suhr an der Mittleren Dorfstrasse, die die Mitte sogar im Namen trägt. Wenn nun die Mitte des Dorfes, so wie die Mitte des Hauses der Ort ist, der Beziehungen zwischen Räumen und Menschen herstellt, wo ist sie denn heute?
In meiner Fantasie erstreckt sich das Zentrum von Suhr von der mittleren Dorfstrasse bis zum Bahnhof. Herzstück ist die Tramstrasse. Auf diesen gut 400 m hat der Fuss- und Veloverkehr Priorität, und ist die Beziehung zwischen den beiden Strassenseiten wichtiger als die Verbindung des Wynentals mit der Stadt Aarau.

 

Ihre Fotos und Gedanken zur Mitte sind gesucht!

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Nicht ganz öffentlich, nicht ganz privat.

Mit diesen Worten endete die letzte Kolumne. Sie handelte von der Auffindbarkeit von Eingängen, von ihrer Bedeutung für die Fassade eines Hauses und von ihrer Wirkung im öffentlichen Raum. Die Türe und die Schwelle bilden die Grenze zwischen aussen und innen, kalt und warm, ungeschützt und geschützt. Der Übergangsraum zwischen öffentlich und privat ist aber, je nach Platz und Gestaltung, viel grösser. Die Elemente dieser Zone, die vom öffentlichen Gehweg bis zum Wohnraum reicht, habe ich mir  genauer angeschaut.
Die Bilder zeigen Eingänge von Mehrfamilienhäusern, einmal ins Haus, einmal in eine Wohnung. Wir alle gehen hier mehrmals täglich ein und aus, zu jeder Tageszeit, bei jedem Wetter.
Das erste Bild zeigt einen unauffällig gelegenen Eingang in ein Haus mit vier Wohnungen. Wir sehen verschiedene Elemente, die es am Übergang zwischen innen und aussen braucht.
Ein Vordach, unter dem man den Schlüssel suchen, die Post aus dem Briefkasten nehmen oder den Schirm aufspannen kann.
Ein Licht, damit man das Schlüsselloch auch findet.
Ein Belagswechsel im Schwellenbereich, der den Übergang betont. Erhöhte Schwellen stellen Hindernisse dar, die der Barrierenfreiheit zuwiderlaufen. Dies heisst aber nicht, dass die Schwelle keine Bedeutung mehr hat. Mit einem Materialwechsel kann die Schwelle auch ohne Stufe betont werden.
Ein Türgriff, der gut in der Hand liegt, gefertigt aus einem Material, das sich wärmer anfühlt als die Metallstange. Türgriffe gehören zu den Teilen eines Hauses, die wir nicht nur mit den Augen oder mit den Ohren wahrnehmen, sondern auch mit den Händen.
Ein Glas, nicht volltransparent, aber lichtdurchlässig. Es ist sichtbar, ob es auf der anderen Seite Licht hat, und ob sich etwas bewegt. Diese Sichtbarkeit ist von beiden Seiten gleich, und nicht, wie beim Türspion, nur einseitig „ich sehe dich, aber du mich nicht“.

8. EingangIm Wohnungsbau bildet der ganze Erschliessungsraum, sei es Treppenhaus, Gang oder Flur, den Übergangsraum zwischen öffentlich und privat. Das zweite Bild zeigt einen Wohnungseingang auf der Étage. Es gibt zwar den Türspion, aber auch ein nicht-transparentes Glas neben der Türe. Genügend Platz vor der Türe, und eine kleine Bank bieten die Möglichkeit, den Eingangsbereich zu gestalten und somit von den andern, gleichen Eingängen zu unterscheiden. Diese Dinge sind flexibel, und wechseln mit den BewohnerInnen. Das Haus gibt den Rahmen und den Raum.

 

Ihre Fotos und Gedanken zu Schwellen, Türgriffen, Vordächern etc. sind gesucht!

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Das Haus und die Tür

Es gibt einen Ort im Dorf, der mich immer irritiert, wenn ich der Tramstrasse entlang gehe. Es ist die Fassade des alten Schulhauses. Auf einer Postkarte von 1910  zeigt sich das Schulhaus mit einer schlichten, symmetrischen Fassade. Der Eingang liegt in der Mitte, genau dort, wo man ihn aufgrund der Fassadengestaltung erwartet. Sechs Stufen führen von drei Seiten zur Türe. Das Schulhaus zeigt seine Hauptfassade zur Strasse. Dort ist der öffentliche Raum, von dort kommen die Menschen, über die Stufen, durch das Portal ins Haus.
Im Laufe der Zeit hat sich vieles verändert: die Raumbedürfnisse der Schule und der Gemeindeverwaltung, die Verkehrsbelastung der Tramstrasse. Die Eingänge der beiden Gebäude wurden auf die Rückseite verlegt, in einem Zwischenbau zusammengefasst und den neuen Bedürfnissen angepasst. An der Tramstrasse sind die Kennzeichen der alten Türe noch da. Darüber steht immer noch „Schulhaus“ geschrieben. Im Portal befindet sich aber heute ein Fenster, die Stufen sind überwachsen und nicht mehr begehbar. Die Fassade hat ihre Essenz, ihre Mitte verloren.

neues Gemeindehaus

Wie das alte Schulhaus steht heute auch das neueste, das Vinci-Schulhaus an der Tramstrasse. Seine Fassaden sind klar gegliedert und allseitig gleich gestaltet, Weiterlesen

Doppelbilder

Wenn ich dem Stadtbach entlang gehe und ins Wasser schaue, sehe ich meistens zuerst, was sich unter der Wasseroberfläche befindet: Boden, Steine, Pflanzen, Fische. Manchmal konzentriere ich mich darauf zu sehen, was sich in der Oberfläche spiegelt. Plötzlich erscheinen dann, wenn das Wasser ruhig ist, an der genau gleichen Stelle Bäume, Himmel und Häuser. Um diese Spiegelung wahrnehmen zu können, muss ich den Blick bewusst umstellen.
An den Fenstern in der Fassade eines Hauses können ähnliche Beobachtungen angestellt werden. Je nach Tageszeit und Lichtverhältnissen zeigt das Fenster, was dahinter liegt, oder spiegelt es was davor liegt. Ab und zu, zum Beispiel in der Morgen- oder Abenddämmerung, kann beides miteinander sichtbar werden, wie manchmal im Wasser der Himmel und die Fische.
Ich finde es spannend, einmal mit diesem anderen Blick durch das Dorf zu gehen und dabei festzustellen, dass einem die Fenster oft ermöglichen, zwei Orte gleichzeitig zu sehen.

Das erste Bild (siehe oben) zeigt solche Überlagerungen im Schaufenster des Blumenladens. Die Blumen hinter der Fensterscheibe zeigen die Tiefe des Schaufensters. Gleichzeitig ist das gegenüberliegende Gemeindehaus sichtbar. Die Bäume bilden ein schöne Ergänzung zur Fülle der Blumen und Pflanzen, stehen aber auf der anderen Seite der Tramstrasse.

Spiegelung Betonfassade

Das zweite Bild zeigt eine reine Spiegelung. Da die Fenster keine Rahmen und Sprossen haben und bündig sind mit der Betonfassade, wirken sie fast wie aufgeklebte Spiegel. Aus dieser Perpsektive ist kaum erkennbar, wie dick die Betonmauer ist, die Fassade wirkt als dünne Schale.

Mit den Aussenwänden eines Gebäudes wird der Innenraum vom Aussenraum abgetrennt.  Die Fenster stellen die Verbindung zwischen Innen und Aussen wieder her. Sie bilden den Übergang zwischen eng und weit, zwischen warm und kalt, trocken und nass, zwischen dem privaten und dem öffentlichen Raum.

Dienten diese Fassadenöffnungen ursprünglich nur dem Lichteinfall und der Luftzufuhr, so sind im Laufe der Zeit weitere Eigenschaften und Funktionen dazu gekommen. Hinausschauen, hineinschauen, zur Schau stellen oder repräsentieren sind nur einige davon. Das Fenster, dieser Übergang zwischen Innen und Aussen, kann auf unendlich viele Arten gestaltet werden. Das kleine Guckloch, das künstlerisch gestaltete Kirchenfenster oder die Spiegelglasfassade, es gibt kaum ein Element in der Architektur, das in so vielen verschiedenen Formen vorkommt wie das Fenster.

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Im Zusammenhang mit dem Artikel „Suhr am Wasser“ wurde mir ein Foto zugestellt, auf dem eine kleine Pfütze zu sehen ist, in der sich ein Baukran spiegelt. In diesem einen Bild werden verschiedene Ebenen sichtbar: der konkrete Boden, die Wasserfläche, und der Raum darüber.

Wenn einige von Ihnen Lust hätten, mit dem umgestellten Blick das Dorf zu erforschen, auf der Suche nach Bildern, die über Spiegelungen mehrere Räume und Ebenen gleichzeitig zeigen, könnte eine schöne Sammlung entstehen.

 

Wie sieht Suhr im Spiegel aus?

Ich freue mich auf Ihre Doppelbilder, als Bilder und als Texte!

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Am Ende meines Dorfschreiberinnenjahres, nach zwölf Kolumnen kann aus den eingesandten Reaktionen ein vielfältiges Portrait von Suhr entstehen, gemacht von den Menschen hier.

Pet Zimmermann – de Jager
Zimmermann Architekten
Bachstrasse 33
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pet.zimmermann@z-arch.ch

 

In verschiedenem Licht

Von meinem Arbeitstisch aus schaue ich an eine Glasfront in Richtung Süd-Ost. An einem sonnigen Tag scheint die Sonne in der ersten Tageshälfte in den Raum, am Nachmittag liegt die Fassade im Schatten. Am Tag weitet sich der Raum über die Fensteröffnungen aus. Ich bekomme die Tageszeit mit, und das Wetter, Lieferwagen, die zu- und wegfahren, Menschen die kommen und gehen. Ich muss dazu nicht ständig hinausschauen.

Abends, wenn es draussen dunkel ist wirkt der Raum völlig anders. Die Öffnungen erscheinen als dunkle, schwarze Flächen. Ich sehe nicht, wer oder was sich draussen bewegt, könnte mich beobachtet fühlen. Der Raum muss von künstlichem Licht ausgeleuchtet werden. 
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Das natürliche Licht, das die Innen- und Aussenräume überhaupt sichtbar macht, hat einen direkten Einfluss auf die Atmosphäre im Raum. Wenn beispielsweise die Sonne blendet oder den Raum zu stark aufheizt, müssen wir das direkte Sonnenlicht abschirmen. Ob dies mittels einer belaubten Pergola, eines leichten weissen Vorhanges oder einer Rafflamellenstore geschieht, macht einen Unterschied in der Raumstimmung. Auch die Art wie Farben und Strukturen der Oberflächen das Licht reflektieren wirkt auf die Stimmung im Innen- oder Aussenraum.

Wir kennen Baumaterialien wie Holz, Backstein, Beton, Stahl oder Glas. Wir brauchen sie, um Bauwerke zu konstruieren. Das eigentliche Gestaltungsmittel aber ist das Licht. Das Licht, das sich nicht nur im Tages-, sondern auch im Jahresrhythmus verändert.

Als ich die Bilder für die erste Dorfschreiberin-Kolumne machte, waren die Blätter an den Bäumen noch frisch, hellgrün und fast durchsichtig. Heute biegen sich die Äste unter ihrem Gewicht, das Laub ist satt grün und man sieht kaum noch durch. Im Schatten eines Baumes zu sitzen ist, gerade bei heissen Temperaturen wie wir sie diesen Sommer erlebten, angenehm.

Bald werden sich die Aussenräume wieder sichtbar und spürbar verändern. Das Laub wird sich verfärben, es wird herunterfallen und das Licht wieder durchlassen, wenn die Tage kürzer werden. Wenn der Aussenraum ein Zimmer wäre, wäre es wie wenn die Wände neu gestrichen und die Vorhänge ganz geöffnet würden. Im Sommer sind wir froh über den Schatten, in der dünkleren Jahreszeit schätzen wir das zusätzliche Licht.

Sie mögen sich wundern, warum ich im ausklingenden Sommer das fallende Laub schon anspreche. Der Grund dafür ist, dass ich Ihnen Gelegenheit geben will, Beobachtungen zu machen, die sich von jetzt bis in den nächsten Frühling erstrecken.

Wie verändern sich Innen- und Aussenräume im Tages- und Jahresrhythmus?

Ich freue mich, wenn Sie mir Eindrücke aus Suhr in verschiedenem Licht schicken!
pet.zimmermann@z-arch.ch

Am Ende meines Dorfschreiberinnenjahres, nach zwölf Kolumnen kann daraus ein vielfältiges Portrait von Suhr entstehen, gemacht von den Menschen hier.

Der Raum vor meinem Fenster

Bevor das Haus in dem ich wohne gebaut wurde, stand dort noch nie ein Haus. Zuletzt war dort ein Baumgarten. Ein schöner Ort, vor allem im Sommer, wenn die Bäume Laub trugen und unter und zwischen den Bäumen eine Fülle von grösseren und kleineren Aussenräumen erlebbar war.

Das Haus in dem ich wohne hat diesen Ort verändert. Aus jedem Fenster, an jeder Seite des Hauses sehe ich einen anderen Ausschnitt des grösseren Umraums, in dem nun das Haus steht.
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Auf der einen Seite ist der Raum bereits nach wenigen Metern begrenzt durch eine Mauer aus Beton. Diese erscheint im Winter in vielen Nuancen von Grau, überzogen von einem feinen Netz aus Ästen. Im Sommer ist sie grün und lebendig, im Herbst leuchtend rot. Der Raum wird von wenigen Menschen als Weg und Zugang genutzt. An heissen Tagen wird er zum kühlen Zimmer im Grünen.

Auf der anderen Seite entsteht ein ganz anderer Eindruck von Raum. Dieses Aussenzimmer ist viel grösser, es reicht bis zur grossen Holzscheune, und durch die Durchfahrt hindurch reicht der Blick bis zu einer Hausfassade, etwa hundert Meter weiter.

Zwischen meinem Fenster und der Holzfassade der alten Scheune gibt es aber noch andere Bereiche wie zum Beispiel den Kiesplatz, die Wiese, den langen gedeckten Platz, den Teerplatz unter dem alten Nussbaum, und hinter der Hecke das Strässchen. Es sind Räume die sich ergänzen und überlagern. Sie werden von verschiedenen Menschen verschieden genutzt.

Rechtlich ist bei uns überall definiert, welche Fläche wem gehört, von wem sie genutzt werden darf. Unser Auge aber nimmt Räume wahr. Unser Blick reicht über die Grundstücksgrenze hinaus, unsere Räume reichen bis zum nächsten Haus oder bis zum ersten Jurahang, bis zum Wald, oder bis zur Lärmschutzwand.

Mit dem Errichten eines Gebäudes wird ein Stück Aussenraum zum Innenraum. Dieser Innenraum ist meist unterteilt in weitere, grössere und kleinere Räume. Die Dimensionen und Materialien des Gebäudes, innen wie aussen werden sorgfältig, minutiös geplant. Das Gebäude selbst verändert aber immer auch die Dimension und die Atmosphäre des Raumes darum herum, des Umraums. Es schafft neue Raumgrenzen und Orientierungspunkte. Während in ländlichen Gebieten der Raum oft weit ist und von Hügeln, Bäumen oder Hecken begrenzt wird, bewegen wir uns in dichter bebauten Gebieten durch ein System von kleineren und grösseren, engeren und weiteren, sich überlagernden Aussenräumen. Ein Teil dieser Aussenräume ist geplant, viele solcher Räume ergeben sich einfach. Sie verändern sich im Jahreslauf. Sie werden von Menschen begangen, befahren, belebt und benutzt, zu verschiedenen Zeiten anders. Von allen werden sie wahrgenommen und erlebt.

 

Welche sind Ihre Räume, wenn Sie aus dem Fenster schauen?

Ich freue mich, wenn Sie mir Bilder, Gedanken und Geschichten zu Ihren Räumen schicken!

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