Archiv für den Monat Juni 2014

Die Jungschreiber – Severin Obrist

Gestatten: Obrist

Was tat ein Obrist vor, sagen wir: 350 Jahren? – Soldaten herumkommandieren. Schliesslich war er ja Oberst. – Und was tut ein Obrist heute? Genau dasselbe: Anweisungen geben, die Übersicht behalten. Eine faule Socke, der Obrist? Ganz im Gegenteil. Ich bin einfach gescheit genug, unangenehmen Aufgaben und Arbeiten aus dem Weg zu gehen und grosszügigerweise anderen zu überlassen. Das hat wenig zu tun mit Faulheit – aber viel mit Intelligenz. Meistens entfaltet sich diese Intelligenz vor dem Computer, und zum Leidwesen meiner Eltern tut sie das dann immer sehr ausgiebig. Natürlich kommt es vor, dass ich nicht vor dem Computer sitze; dann bin ich entweder in der Schule, spiele auf meinem iPhone, bin im Training oder in der Pfadi.

Das Training oder die Pfadi würde ich nie andern überlassen, denn das macht mir richtig Spass. – Wenn ich von Training rede, meine ich übrigens (Ursina würde sagen: incidentally) die japanische Sportart Aikido. Das ist eine Kampfkunst, bei der es darum geht, die Kraft des gegnerischen Angriffs abzuleiten und den Gegner mit derselben Kraft vorübergehend angriffsunfähig zu machen. Seit bald drei Jahren bin ich nun schon Aikidoka, und ich darf behaupten, zu den besten in meiner Altersgruppe zu gehören. Ich finde es toll, dass es beim Aikido nicht um die eigene Aggressivität geht, sondern darum, die Angriffsenergie des Gegners für sich auszunützen. Ich habe im Schulsport damit angefangen, zeitgleich mit zwei Freunden. Schon nach einem halben Jahr wurden wir offiziell Clubmitglieder und begannen häufiger zu trainieren. Ehrlich gesagt: Fürs Training war ich noch nie zu faul!

Dasselbe gilt für die Pfadi. Ich bin in der Pfadi St. Georg Aarau – schon seit fast zehn Jahren. Bin also kein junger Fuchs mehr, sondern längst ein alter Hase. Pio-Stufe. Das ist die letzte Stufe vor dem Pfadi-Leiter. Bis dahin brauche ich aber noch zwei Jahre. In der Pfadi habe ich schon so viel Abenteuerliches erlebt: all die Lager, aber auch die wöchentlichen Übungen, die fast genauso toll waren und es immer noch sind. Überhaupt habe ich ein spannendes Leben, wenn ich nicht gerade in der Schule bin. Es gäbe noch sehr viel über mich zu schreiben. Aber irgendwie bin ich im Moment zu intelligent dazu und mache deshalb hier einen Punkt.

Die Jungschreiber – Ursina Mühlethaler

Ein Leben mit 1000 Seiten

Manch einer würde behaupten, ich rede zu viel. Ich für meinen Teil bin der Überzeugung, dass dies ein völliger Trugschluss ist. Das Problem liegt nämlich viel mehr darin, dass viele zu bequem sind, selbst zu reden. Dann hört man eben nur mich. Aber ich kann schliesslich nichts dafür, dass ich so viel zu erzählen habe. Und schweige ich einmal, ist es auch keinem recht. – Was solls. Man kann nicht von jedem verlangen, dass er so ein interessantes Leben führt wie ich. Meine Tage sind ziemlich vollgestopft. Wenn nicht sogar überlastet. Not enough storage available – genau wie bei meinem iPhone. Auch so etwas mit permanentem Unterhaltungswert. Die Aktivität meines Handys ist aber nicht das einzige, was uns verbindet. Denn sowohl in meinem iPhone als auch bei mir zu Hause herrscht oft ein ziemliches Chaos. Und wenn ich mal wieder ermahnt werde, meine Tasche aus dem Gang wegzuräumen (was ich absolut nicht verstehen kann, schliesslich stört sie da keinen, und am nächsten Tag brauche ich sie ja sowieso wieder), kontere ich mit meiner Lieblingsantwort: «Sorry, dass ich alles liegen lasse, aber den Platz im Zimmer brauche ich für meine Gedanken.» Wie war das noch mal? Der Kleingeist hält Ordnung, das Genie überblickt das Chaos. Genau. So geht das.

Incidentally – das ist mein neues Lieblingswort und bedeutet so viel wie übrigens. Wenn ich grad nicht Witze reisse oder meine Umgebung mit Geistesblitzen beglücke, lese ich sehr, sehr gern, incidentally. Deshalb kenne ich auch dieses Wort. Es stammt aus einem meiner absoluten Lieblingsbücher: The Perks of being a Wallflower von Stephen Chbosky – ein fantastischer Roman. Angelehnt an meine Leidenschaft und meine Stärken habe ich auch meinen zukünftigen Beruf gewählt: Buchhändlerin. Jetzt noch im Abschlussprüfungenstress, nachher stolze acht Wochen Ferien, und dann, endlich, werde ich mich ins Arbeitsleben stürzen. Ein grosser Schritt, auf den ich mich unbeschreiblich freue. Zwar arbeite ich jetzt schon neben der Schule, indem ich regelmässig babysitte, ist aber natürlich nicht ganz das Gleiche.

Neben dem intensiven Denksport, den ich an 5 Tagen pro Woche auf der Schulbank betreibe, spiele ich Tennis und tanze mir zweimal pro Woche die Füsse wund. Die Musik, die immer schon ein grosser Teil meines Lebens war, bleibt dabei nicht auf der Strecke. Incidentally, ich spiele leidenschaftlich Klavier und nehme Gesangsunterricht. Singen kann ich zwar noch immer nicht; trotzdem singe ich sämtliche Leitern rauf und runter, vorzugsweise auf dem Fahrrad oder beim Joggen, was übrigens schon so manchen Kameraden aus dem Konzept gebracht hat. Ob aus Bewunderung oder vor Schreck – das sei dahingestellt.

Ansonsten verbringe ich meine Freizeit grösstenteils mit meinen Freunden und in der Pfadi. Am intensivsten ist jedoch meine Leidenschaft fürs Schreiben, und die werde ich im meinen Dorfschreiberjahr zünftig ausleben. Mit Ihnen als Leser und Leserin? – Das will ich doch schwer hoffen.