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Garten-Kunst

Die Dorfschreiberin will wissen:
«Kann ein Garten an einem der typischen Aargauer November-Nebeltage schön sein?»
Lea Mollet wohnt seit 2005 am Kirschenweg 6 und kann über diese Frage nur lachen. Wenn das nicht auch im Nebel wunderschön ist, wie die Salbeiblätter violettgrün, olivgrün und silbern changieren? Wie die Samendolden Schattentheater spielen und die letzten Rosenknospen rot blinken? Sie steht draussen vor dem Stubenfenster und zeigt ihre komponierte Aussicht. Am Hag zum Nachbarhaus wirkt eine Efeuwand als Bühnenhintergrund für die sanft rosa ausbleichenden Hortensien und die Hagebutten der vielen Rosensträucher.

Sie führt durch das Tor, das die Hainbuchen Hecke bildet, in das nächste «Gartenzimmer». Der Staudengarten hier ist der geborgenere Teil des Gartens mit dem grossen Sitzplatz. Der wird überkrönt von einer Platane, in deren Äste eine Kletterrose wächst, die die ganze Traufe entlang des Schopfs gezogen ist – nur zarte Rosenblätter im Frühling, im Sommer Schatten und Duft. Was für eine grandiose Idee! (Die die Dorfschreiberin dann doch in der Sonne fotografiert.) Lea erzählt, dass ein befreundeter Architekt diesen Baum für ein Bauprojekt hätte beseitigen müssen und um seine Aufnahme in ihrem Garten bat.

«Wie denkst du dir das alles aus?»
Lea schickt voraus, dass sie auf einem Bauernhof im Freiburger Seeland aufgewachsen ist. Sie hat erlebt, wie ihre Eltern Büsche und Bäume als Windschutz für die Äcker pflanzten und wie sich dadurch die Landschaft änderte. Ihre Mutter hat sich leidenschaftlich eingesetzt für die Vielfalt der Natur und hat das an ihre fünf Töchter weitergegeben. Während Lea Kindergärtnerin wurde, hat eine der Schwestern mit einem Blumenladen in Bern die Leidenschaft zum Beruf gemacht. Der Austausch zwischen ihnen ist natürlich «fruchtbar». Und Lea kennt die schönsten Staudengärtnereien, schaut sich viele Gärten an. Dabei stiess sie zum Beispiel immer wieder auf die «Weidenblättrige Birne», mit ihren silbrig glänzenden schmalen Blättern, den zarten Blüten, und verliebte sich. Inzwischen strukturieren deren filigranen Äste die Winteraussicht aus dem Stubenfenster. Die Dorfschreiberin ist hingerissen von den Pflanzennamen, die Lea so selbstverständlich benutzt – die «Härdöpfelrose, also wir sagen so, das ist eine Rosa rugosa…» und fragt nach Ratschlägen für die gewöhnliche Gärtnerin.

So eine Efeuwand z.B. würde Lea nicht mehr pflanzen, es sei wahnsinnig schwer, die Ausläufer aus dem Garten fern zu halten. Die Rosen behandelt sie bei Krankheiten nicht mit chemischen Mitteln, daher kann es vorkommen, dass sie kahl werden. Mit Begleitpflanzen, die sie dazu gesetzt hat, gleicht sie das ästhetisch aus – Lavendel, Salbei, Storchenschnabel, Gaura. Und sie, die angibt, übers Jahr gesehen einen halben Tag pro Woche für den Garten aufzuwenden, rät zu einem pragmatischen Umgang – den Schnecken gegenüber zum Beispiel. Phlox lieben sie einfach zu sehr, das sei ein aussichtsloser Kampf, wenn man ohne Gift arbeiten wolle. Den Kampf gegen den Buchsbaumzünsler hat sie gleichfalls aufgegeben. Und überhaupt solle man sich leichten Herzens für «unperfekte» Teile des Gartens entscheiden – bei ihr lebt in so einem Teil ein Igel und die Wildbienen bauen ihre Erdnester in die offenen Stellen der Wiese.

Die Löcher sind Nester der Wildbienen
Und hier wohnt der Igel relativ ungestört – neben dem Gartenweg voller Erdbeeren.
Und sie finden auch im Spätherbst noch Nahrung in Leas Garten
Im blühenden Efeu am Hauseingang summt es nur so von Insekten (am nächsten Tag in der Sonne…)

Mitbewohner: Igel und Insekten

Grundsätzlich entstehe Leas Garten nach einem inneren Bild. Das klingt so einfach, aber da muss die Dorfschreiberin einwenden, dass ohne Leas grosses Wissen, jahrelange Erfahrung und Arbeit, der Garten nicht in jedem kleinsten Fleckchen vielgestaltig wäre. Die Augen kommen gar nicht nach, immer Neues zu entdecken. Im Grossen wirkt er wie locker hingeworfen und so selbstverständlich, als ob es gar nicht anders sein könnte – ist das alles nicht die Definition von Kunst? Genau: grosse Garten-Kunst eben!
In der Stube mit dem Blick in den Garten unterhielten wir uns weiter – ist es Zufall, dass Lea vor einer Skulptur sitzt, die aus einem Nussbaum geschnitzt wurde? Und ihr Mann René bringt einen Stick voller Gartenbilder vom letzten Herbstsonntag – einfach hinreissend!
©René Mollet:

Der Stein (im) Garten

Das Haus an der Ecke von Salamander-und Brügglifeldweg kennen Viele: da ging man zum Velo kaufen und flicken lassen bei Sepp Reichmuth und vorher in den Lebensmittelladen von Familie Bauder. 2013 kam der Abbruch – nein, nicht vom Haus, sondern von der Asphaltfläche vor dem Haus. Dann wurde da ein ganzer Berg von Kies aufgeschüttet, auf dem drei kleine Kinder mit ihren Schäufelchen spielten. Heute sagen sie natürlich, sie hätten geholfen, den Kies zu verteilen. Da lag jetzt also Kies vor Haus und Anbau und eine Badewanne gesellte sich dazu. Die fiel beim Umbau des Hauses an. Und 4 Jahre später fuhr ein Lastwagen vor und seilte vorsichtig einen Riesenstein ab.

Das könnte der Anfang einer Geschichte von Franz Hohler sein. In den Augen von Andreas Märki (48), Geologe beim Kanton Aargau, und Isabelle Widmer (44), Physikerin und Begleiterin beim Verein «Die Tagesfamilie», ist es einfach die Geschichte ihres Einzugs.


Isabelle hatte sich sofort in die Pergola hinter dem Haus verliebt, Andreas sah die Möglichkeiten eines naturnahen Gartens. Am «Salamanderweg» sollte es doch möglich sein, Eidechsen anzusiedeln! Mit der Zeit fand Andreas heraus, dass der Garten eine «Insellösung» wäre: die Eidechsen brauchen mehr verbundenen Lebensraum. Das heisst, es bräuchte noch viel mehr Gärten mit Steinen und Mäuerchen und vielleicht auch weniger Katzen, die gerne Eidechsen jagen. Zumindest eine Metalleidechse wohnt jetzt an der Wand des ochsenblutrot gestrichenen Anbaus.

Ja und der Riesenstein?


Andreas stellt ihn vor: er ist ein Findling aus einem Seitenarm des Reussgletschers, wiegt 4,6 Tonnen und besteht aus kalkigem Sandstein. Gefunden wurde er in der Staffelbacher Kiesgrube Stoltenrain. Kiesabbauer freuen sich nicht richtig über Findlinge. Sie gehören zum «geomorphologischen Inventar» und dürfen deshalb nicht gesprengt werden. Irgendwohin müssen sie also sowieso transportiert werden, weshalb nicht in den Garten eines leidenschaftlichen Geologen? Es gab eine ganze Reihe Findlinge zur Auswahl – die Kriterien dafür waren die Grösse des Lastwagens, der noch vor dem Garten wenden konnte und die Grösse der Kinder. Florin (*2006), Milan (*2008) und Ronja (*2011) sollten darauf picknicken können. Das tun sie inzwischen weniger, in Coronazeiten aber hat Ronja darauf mit ihrer Geige dem Bach «Die Moldau» vorgespielt. Und es passen immer noch alle drei darauf! 

Die Pflanzen


Alle Pflanzen im Garten hat Andreas danach gepflanzt, wie bienen-, vögel- und schmetterlingsfreundlich sie sind. Die bestehende blütenlose Hecke zum Nachbarhaus ersetzte er durch kleine Obstbäume, Tanne und Birke durch Holunder und die Kinder zählen auf, welche Beerensträucher sie gepflanzt haben. Es fällt auf, wie Andreas von den Pflanzen erzählt. Er hat zum Beispiel fünf verschiedene Mohnsorten ausgesät. Im Lauf der Jahre hat sich nur eine gehalten und an einem bestimmten Standort im Regenschatten blüht sie jedes Jahr wieder. Er redet von ihr wie von einem Wesen mit eigenem Willen, den er ihm lässt. Ein Gärtner, könnte man meinen, würde doch genau umgekehrt erwarten, dass alles nach seinem Willen wächst? Von der freundlich subversiven Kraft der Pflanzen schreibt schon Friedrich Rückert (1788-1866):

«Ich zog eine Wind’ am Zaune;
und was sich nicht wollte winden
von Ranken nach meiner Laune,
begann ich dann anzubinden,
und dachte, für meine Mühen
sollte es nun fröhlich blühen.
Doch bald hab ich gefunden,
dass ich umsonst mich mühte;
nicht was ich angebunden,
war, was am schönsten blühte,
sondern was ich liess ranken
nach seinen eigenen Gedanken.»

Der Garten als Ort der Einübung ins harmonische Miteinander von Mensch und Natur? Ein schöner Gedanke. Aber ohne Einfluss des Menschen würde aus einem «Naturgarten» bald Wildnis, bei der vielleicht eine Pflanzenart überwiegen würde. Deshalb ist Andreas täglich kurz im Garten und jätet und überprüft z.B., ob die richtigen Farben bei den Akeleien überwiegen. Diese grazilen Blumen wachsen wie Unkraut, wenn sie einen Ort angenehm finden. Andreas «züchtet» die violetten. Inzwischen gibt es neben dem Haus auch einiges an Gemüse in Hochbeeten und überdachte Tomatenstöcke. Direkt daneben haben Hummeln und Wildbienen ihren Nachwuchs im «Hotel» deponiert. Dieses war so schnell belegt, dass ein zweiter Stock nötig wurde.

Andreas gefällt es, ausrangierte Eimer und Badewannen zu bepflanzen. Es erinnert ihn an das wunderbare «Gerümpel» rund um den alten Hof im Elsass, den der Lebensgefährte seiner Mutter bewirtschaftete.


Übrigens ist die Badewanne auf dem Kies vor dem Haus der einzige Ort im Garten, an dem sich Torf findet. Auf ihm und mit regelmässigen Gaben von Wasser aus dem Bach wachsen die Heidelbeeren halt am besten.

Der Rat für die GärtnerInnen

Kleine Kinder lieben die Lauben aus Weidenstecklingen, die sehr schnell eine grüne Höhle bilden. Grosse Kinder aber auch. Sie sind idealer Rückzugsort zum Lesen oder für «Handy-Arbeit». Florin demonstriert das genüsslich auf dem Sofa in der Laube, die von Anfang an für die Teenager-Grösse konzipiert wurde.


Gerne grenzen naturnahe GärtnerInnen ihr Land mit einem Hag aus Ästen ab. Damit der Hag aber auch wirklich nutzbar ist für allerlei Getier, muss er doppelt geschichtet werden. Milan stöhnt: «Das war unbezahlte Kinderarbeit! Wir haben alle Äste mit dem Bollerwagen aus dem Wald geholt!» Aber dafür hat er auch „seinen“ klassischen Rosenbogen bekommen!


Es wird deutlich, dass in diesem Garten kein Landschaftsarchitekt ein Konzept festgelegt hat, sondern dass er langsam gewachsen ist. Auch mit den Bedürfnissen der Familie – zuerst war der Sandkasten für die Kinder wichtig, nun ist der überwachsen, aber eine Slackline ist quer über den Rasen gespannt. Die Dorfschreiberin ist entzückt, welche Vielfalt auf kleinstem Raum hier anzutreffen ist.  Isabelle meint: «Draussen darf Üppigkeit sein. Sie bereichert die Sinne. Fürs Gemüt würde mir der Blick nur auf Rasen und Hecke nicht reichen.»