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In verschiedenem Licht

Von meinem Arbeitstisch aus schaue ich an eine Glasfront in Richtung Süd-Ost. An einem sonnigen Tag scheint die Sonne in der ersten Tageshälfte in den Raum, am Nachmittag liegt die Fassade im Schatten. Am Tag weitet sich der Raum über die Fensteröffnungen aus. Ich bekomme die Tageszeit mit, und das Wetter, Lieferwagen, die zu- und wegfahren, Menschen die kommen und gehen. Ich muss dazu nicht ständig hinausschauen.

Abends, wenn es draussen dunkel ist wirkt der Raum völlig anders. Die Öffnungen erscheinen als dunkle, schwarze Flächen. Ich sehe nicht, wer oder was sich draussen bewegt, könnte mich beobachtet fühlen. Der Raum muss von künstlichem Licht ausgeleuchtet werden. 
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Das natürliche Licht, das die Innen- und Aussenräume überhaupt sichtbar macht, hat einen direkten Einfluss auf die Atmosphäre im Raum. Wenn beispielsweise die Sonne blendet oder den Raum zu stark aufheizt, müssen wir das direkte Sonnenlicht abschirmen. Ob dies mittels einer belaubten Pergola, eines leichten weissen Vorhanges oder einer Rafflamellenstore geschieht, macht einen Unterschied in der Raumstimmung. Auch die Art wie Farben und Strukturen der Oberflächen das Licht reflektieren wirkt auf die Stimmung im Innen- oder Aussenraum.

Wir kennen Baumaterialien wie Holz, Backstein, Beton, Stahl oder Glas. Wir brauchen sie, um Bauwerke zu konstruieren. Das eigentliche Gestaltungsmittel aber ist das Licht. Das Licht, das sich nicht nur im Tages-, sondern auch im Jahresrhythmus verändert.

Als ich die Bilder für die erste Dorfschreiberin-Kolumne machte, waren die Blätter an den Bäumen noch frisch, hellgrün und fast durchsichtig. Heute biegen sich die Äste unter ihrem Gewicht, das Laub ist satt grün und man sieht kaum noch durch. Im Schatten eines Baumes zu sitzen ist, gerade bei heissen Temperaturen wie wir sie diesen Sommer erlebten, angenehm.

Bald werden sich die Aussenräume wieder sichtbar und spürbar verändern. Das Laub wird sich verfärben, es wird herunterfallen und das Licht wieder durchlassen, wenn die Tage kürzer werden. Wenn der Aussenraum ein Zimmer wäre, wäre es wie wenn die Wände neu gestrichen und die Vorhänge ganz geöffnet würden. Im Sommer sind wir froh über den Schatten, in der dünkleren Jahreszeit schätzen wir das zusätzliche Licht.

Sie mögen sich wundern, warum ich im ausklingenden Sommer das fallende Laub schon anspreche. Der Grund dafür ist, dass ich Ihnen Gelegenheit geben will, Beobachtungen zu machen, die sich von jetzt bis in den nächsten Frühling erstrecken.

Wie verändern sich Innen- und Aussenräume im Tages- und Jahresrhythmus?

Ich freue mich, wenn Sie mir Eindrücke aus Suhr in verschiedenem Licht schicken!
pet.zimmermann@z-arch.ch

Am Ende meines Dorfschreiberinnenjahres, nach zwölf Kolumnen kann daraus ein vielfältiges Portrait von Suhr entstehen, gemacht von den Menschen hier.

Der Raum vor meinem Fenster

Bevor das Haus in dem ich wohne gebaut wurde, stand dort noch nie ein Haus. Zuletzt war dort ein Baumgarten. Ein schöner Ort, vor allem im Sommer, wenn die Bäume Laub trugen und unter und zwischen den Bäumen eine Fülle von grösseren und kleineren Aussenräumen erlebbar war.

Das Haus in dem ich wohne hat diesen Ort verändert. Aus jedem Fenster, an jeder Seite des Hauses sehe ich einen anderen Ausschnitt des grösseren Umraums, in dem nun das Haus steht.
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Auf der einen Seite ist der Raum bereits nach wenigen Metern begrenzt durch eine Mauer aus Beton. Diese erscheint im Winter in vielen Nuancen von Grau, überzogen von einem feinen Netz aus Ästen. Im Sommer ist sie grün und lebendig, im Herbst leuchtend rot. Der Raum wird von wenigen Menschen als Weg und Zugang genutzt. An heissen Tagen wird er zum kühlen Zimmer im Grünen.

Auf der anderen Seite entsteht ein ganz anderer Eindruck von Raum. Dieses Aussenzimmer ist viel grösser, es reicht bis zur grossen Holzscheune, und durch die Durchfahrt hindurch reicht der Blick bis zu einer Hausfassade, etwa hundert Meter weiter.

Zwischen meinem Fenster und der Holzfassade der alten Scheune gibt es aber noch andere Bereiche wie zum Beispiel den Kiesplatz, die Wiese, den langen gedeckten Platz, den Teerplatz unter dem alten Nussbaum, und hinter der Hecke das Strässchen. Es sind Räume die sich ergänzen und überlagern. Sie werden von verschiedenen Menschen verschieden genutzt.

Rechtlich ist bei uns überall definiert, welche Fläche wem gehört, von wem sie genutzt werden darf. Unser Auge aber nimmt Räume wahr. Unser Blick reicht über die Grundstücksgrenze hinaus, unsere Räume reichen bis zum nächsten Haus oder bis zum ersten Jurahang, bis zum Wald, oder bis zur Lärmschutzwand.

Mit dem Errichten eines Gebäudes wird ein Stück Aussenraum zum Innenraum. Dieser Innenraum ist meist unterteilt in weitere, grössere und kleinere Räume. Die Dimensionen und Materialien des Gebäudes, innen wie aussen werden sorgfältig, minutiös geplant. Das Gebäude selbst verändert aber immer auch die Dimension und die Atmosphäre des Raumes darum herum, des Umraums. Es schafft neue Raumgrenzen und Orientierungspunkte. Während in ländlichen Gebieten der Raum oft weit ist und von Hügeln, Bäumen oder Hecken begrenzt wird, bewegen wir uns in dichter bebauten Gebieten durch ein System von kleineren und grösseren, engeren und weiteren, sich überlagernden Aussenräumen. Ein Teil dieser Aussenräume ist geplant, viele solcher Räume ergeben sich einfach. Sie verändern sich im Jahreslauf. Sie werden von Menschen begangen, befahren, belebt und benutzt, zu verschiedenen Zeiten anders. Von allen werden sie wahrgenommen und erlebt.

 

Welche sind Ihre Räume, wenn Sie aus dem Fenster schauen?

Ich freue mich, wenn Sie mir Bilder, Gedanken und Geschichten zu Ihren Räumen schicken!

Am Ende meines Dorfschreiberinnenjahres, nach zwölf Kolumnen kann daraus ein vielfältiges Portrait von Suhr entstehen, gemacht von den Menschen hier.