Archiv für den Monat August 2020

Der Schatz im Gemüsegarten

An der Bachstrasse gibt es schon seit langer Zeit einen besonderen Vorgarten. Zuerst bemerkt man hauptsächlich viel Grün und das Fehlen einer Hecke. Und dann schaut man genauer und es gehen einem die Augen über. Da sind neben- und untereinander Feigenbäume, Nachtkerzen, ein Apfelbaum, Pfingstrosen, Taglilien, Rosmarin, Lupinen, schwarze Johannisbeeren, rote und gelbe Rosen, ein Kakibaum (!), hoch aufragender Gewürzfenchel und als Bodendecker Petersilie, Erdbeeren, Oregano und Minze. Über einem kleinen Teich spannt sich ein Dach aus Weinreben.

Dieser Vorgarten gehört Salvatore und Teresa Rizzo. Der Hausmauer entlang wachsen Salbei, Rosmarin und riesige Basilikumbüsche, einige schon halb abgeerntet. Teresa füllt gerade in der Gartenküche an der Rückseite des Hauses ihr Basilikumpesto ab. Im Radio läuft ein italienischer Sender, zwischen Wannen und Sieben hängt eine Speckseite, grosse Töpfe stehen parat, Pastapackungen stapeln sich im Regal, Obst gärt in einem Fass und plötzlich scheint es gar nicht mehr sicher, ob diese Küche wirklich in Suhr steht.

Salvatore ist im Garten hinter dem Haus – und der ist richtig gross! Die Rizzos haben dieses Haus zu einer Zeit gekauft, als Selbstversoger-Gärten an der Bachstrasse noch selbstverständlich waren. Salvatore kam 1961 in die Schweiz, heiratete Teresa 1963 und holte sie nach Suhr. Beide kommen aus San Chirico Raparo in der Basilicata, ganz im Süden von Italien. Salvatore hatte eine Stelle auf dem Bau, bei der Firma Grundmann. Bei ihr hat er sich hochgearbeitet bis zum Polier und blieb dort bis zur Pensionierung. Mit Kollegen baute er Balkone und Terrassen an das Haus an und eben die Küche im Untergeschoss. Dort entstanden z.B. die Tomatensaucen für die Veranstaltungen des italienischen Elternvereins.

Gemüse im Überfluss
Der Garten wird nach hinten abgegrenzt von einer lebendigen, drei Meter hohen Mauer aus Stangenbohnen, nach links vom Tomatenhaus mit üppigen Pflanzen, rechts stehen noch mehr Obstbäume. Hinter den Buschbohnen entdeckt die Dorfschreiberin eine lange Reihe Meerrettich. Meerrettich in der italienischen Küche? Ja, mit Käse in Suppen! Und zwischen diesen Abgrenzungen wachsen Kürbisse, Stangensellerie, Auberginen, Peperoncini, Fenchel, Mangold und in langen Beeten erntereife Sommersalate und frisch angepflanzte Herbst- und Wintersalate – Chicorée, Zuckerhut, Endivie – und ein italienisches Bittergemüse, was Teresa heute zu Huhn und Kartoffeln kochen wird. Kartoffeln, erklärt Salvatore, hat er im Schrebergarten beim Feuerwehrdepot. Sie sind bereits geerntet und im Moment blühen dort die Buschbohnen. Noch mehr Garten? «Salvatore, wie alt bist du?» «82. In meiner Familie wird man alt.» Von den fünf Schwestern leben noch zwei in der Heimat, die eine 93, die andere 97. Die hat vor zwei, drei Jahren aufgehört zu gärtnern. Viele Samen hat er aus Italien, die Feigenbaum-Stecklinge von einer Cousine aus der Toskana. Und überhaupt zieht er seine Samen selber. Die schweizer Preise für die winzigen Samenpäckchen seien ja wohl verrückt. Er zeigt auf Buschbohnen, die schon ganz gelb sind – er hat sie nicht vergessen zu ernten, sondern extra für die Samengewinnung angepflanzt.

Der Rat an die GärtnerInnen
Salvatore führt in sein gläsernes Treibhaus mit Stapeln von Anzuchtschalen und Samendolden von Petersilie, die hier noch fertig ausreifen. Und dann öffnet er eine unscheinbare Plastikkiste und es tut sich ein Schatz auf. Stoffsäckchen liegen darin, z.B. angeschrieben mit «Basilico», «Zucchi», «Sedano» und Stoffrollen, die aussehen wie uralte Schriftrollen. In ihnen trocknet er jedes Jahr die Tomatensamen. Salvatore macht seit Jahrzehnten, was heute wieder in Mode kommt – Samen selber ziehen, weil sich so die Pflanzen mit der Zeit gut an die Bedingungen des Gartens anpassen. Er macht das wie bereits seine Eltern – weil es schlau und sparsam ist. Die Dorfschreiberin nimmt sich viel vor für ihren eigenen Garten…

Vorschau: Ein Gartenfest

Am Sonntag, 30. August um 11 Uhr im Garten des Suhrer Nachbarschaftshauses Mühlematte, Mühlemattweg 14

Die Dorfschreiberin Eli Wilhelm porträtiert Suhrer Gärten und ihre Menschen. Im Spätsommer gibt es ein Live-Porträt. Sie lädt zusammen mit der Kulturkommission und FRAGILE Aargau in einen öffentlichen Garten ein.

Der Garten in der Mühlematte ist etwas doppelt Besonderes, weil er eben ein «Nachbarschaftsgarten» ist, und weil darin ein weiterer Garten blüht. Er wurde in diesem Frühling angelegt von hirnverletzten Menschen mit der Unterstützung von FRAGILE Aargau (der Patientenorganisation für Menschen mit Hirnverletzung und deren Angehörigen) und der Suhrer Quartierentwicklung. Der Garten zeigt die Form eines Gehirns mit seinen beiden Hälften, begehbar durch geschwungene Rasenwege. Er ist jetzt bereits eine Oase für Insekten und Schmetterlinge. Die Initiantinnen freuen sich über die wohltuende Wirkung der Arbeit in und mit der Natur. In der Gartenmitte entsteht ein Ort zum Ausruhen und Geniessen für alle.
Jana Renker, aus dem Vorstand von FRAGILE Aargau, führt ein in dieses Projekt und die Arbeit der Stiftung.

Und weiter gibt es beim Garten-Fest:

  • Einen Apéro mit sommerlichen Gartenprodukten
  • Musik: das «Diversion String Quartet», dessen junge Musiker sich in keine Schublade zwängen lassen. Ob Jazz, Rock, Folk oder Funk – mit musikalischer Offenheit und überraschender Spontaneität sprengen die vier klassisch ausgebildeten Musiker die Grenzen des gewohnten Streicherklangs.
    www.diversionstringquartet.ch
  • Spiele für Kinder und alle, die es werden wollen

Das Fest findet auch bei Regen statt.